Vom Tabu zum Trend: So verändert das Mieten den Wintersportmarkt
Letzte Woche haben wir an dieser Stelle darüber berichtet, dass in der Schweiz noch nie so viel Wintersportausrüstung vermietet wurde wie in der Saison 2023/24. Doch wie macht sich diese Veränderung im Alltag der Sportfachhändler und der Hersteller von Wintersportartikeln bemerkbar? Wir haben nachgefragt beim familiengeführten Sportfachhändler Zubi, beim INTERSPORT Network Flumserberg und bei Sportartikelhersteller HEAD.
Lucio Zallot, General Manager Central Europe bei HEAD
«Wir als Hersteller blicken dem Thema Miete im Wintersport positiv entgegen. Vor 30 bis 40 Jahren war Mieten noch komplett verpönt. Damals herrschte die Meinung vor, dass nur jemand mietet, der sich den Kauf nicht leisten kann. Diese Einstellung hat sich um 180 Grad gedreht und das völlig zu Recht. Auch wenn wir natürlich noch immer gerne Skis verkaufen, bringt diare Miete verschiedene Vorteile.
Gerade im Bereich der Wintersportausrüstung für Kinder ist die Miete absolut sinnvoll. Es ist nicht zielführend, wenn Eltern jedes Jahr eine komplett neue Ausrüstung kaufen müssen und dann aus finanziellen Gründen entscheiden, dass Skifahren zu teuer ist. Wir wollen möglichst viele Kinder auf den Schnee bringen und da ist die Materialmiete der richtige Weg.
Aber auch die Miete bei den Erwachsenen hat für uns keinen negativen Impact. Im Gegenteil: Wenn der Mietanteil grösser wird, steigt auch die Qualität der Mietprodukte. Die Kundinnen und Kunden wollen schliesslich auch beim Mietmaterial hochwertige Produkte, wodurch die Händler auch die teureren und besseren Skis in die Vermietung integrieren. Davon profitieren auch wir als Hersteller, weil die Leute dadurch erkennen, dass es einen Unterschied gibt zwischen günstigen und hochwertigen Skis. Dennoch unterscheidet sich ein Mietski von einem Ski, der für den Verkauf konzipiert wurde. Ein Mietski muss zwingend eine robuste Oberfläche haben, auf Spielereien mit transparenten oder farbigen Belägen sollte man verzichten und es wird eine Bindung eingesetzt, die in der Grösse verstellbar ist. Denn es ist schon so, dass der Spruch «Don’t be gentle, it’s a rental» durch bis zu einem gewissen Grad der Realität entspricht. Die Leute sind weniger vorsichtig im Umgang mit Mietmaterial, als sie das mit ihrem gekauften Material sind.»
Joel Schmid, Abteilungsleiter Sport bei Zubi
«Zubi ist ein familiengeführtes Unternehmen mit 200 Mitarbeitenden an acht Standorten in der Ostschweiz. Wir bieten Freizeit- und Sportartikel an. Das Mietgeschäft im Wintersport hat bei uns einen hohen Stellenwert und wir glauben fest an unser Mietangebot. Wir sind überzeugt, dass die saisonale Nutzung der Produkte und auch der Wunsch der Kunden, jede Saison das perfekte Material zu haben, noch sehr viel Potenzial bietet. Der Verkauf wird deswegen sicherlich nicht verschwinden, aber die Miete wird in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen.
Wir vermieten an drei Standorten Wintersportausrüstung, wobei wir uns auf Skis, Snowboards und Langlaufskis, sowie die dazugehörigen Stöcke und Schuhe konzentrieren. Kleidung und Schutzausrüstung wie Helme oder Rückenpanzer vermieten wir nicht. Bei uns spielt die Saisonmiete eine grosse Rolle. Rund 80 Prozent unserer Vermietungen sind für die gesamte Wintersaison. Der grösste Teil davon – wieder rund 80 Prozent – sind für Kinder. Das ist kein Zufall. Kinder wachsen schnell und mit der Miete muss man bezüglich der Grösse keine Kompromisse eingehen. Und auch preislich ist die Saisonmiete für Kinder sehr attraktiv. Rund ein Drittel aller Saisonvermietungen machen wir bereits im Oktober. Das ist bei uns der stärkste Monat, wenn es um Vermietungen geht. In diesem Jahr lagen wir bereits wieder deutlich über den Werten des Vorjahres.
Wer bei uns Material mieten will, kann das innerhalb von 15 Minuten tun. An unserem Checkin-Schalter kann sich der Kunde selbst registrieren. Die eingetragenen Daten werden dann direkt in unserem Mietsystem hinterlegt. Die Auswahl des richtigen Skis und der Schuhe erfolgt dann mit der Unterstützung unserer Mitarbeitenden.»
Fabrice Mullis, Mitglied der Geschäftsleitung, Bereichsleiter INTERSPORT Network Flumserberg
«Wir betreiben im Gebiet Flumserberg vier Intersport Filialen. Im Sommer beschäftigen wir 15 Mitarbeitende, im Winter sind es 35 Personen. In allen unseren Filialen bieten wir Vermietung, Service und Verkauf des gesamten Wintersport-Sortiments an. Im Sommer bieten wir ein vielfältiges und auf den Standort abgestimmtes Miet- und Verkaufssortiment an – vom Mountainbike, über E-Bike bis hin zum SUP und Pedalo. Das Mietgeschäft im Winter ist für uns ein noch wichtiger Pfeiler geworden und ist mittlerweile bereits stärker als der Verkauf. Entsprechend fokussieren wir uns auch sehr stark auf dieses Segment.
Wir bieten Saisonmieten an, aber der grösste Teil des Verleihs generiert das Tagesgeschäft. Die meisten Kunden reisen mit dem öffentlichen Verkehr ohne Material an, rüsten sich bei uns komplett aus von Schuhen über Skis und Stöcke bis hin zu Helmen, Hosen und Jacken. Nach einem Tag oder einem Wochenende bringen sie das Material zurück und reisen wieder ab. In den letzten Jahren hat das Mietgeschäft stetig zugelegt. Wir gehen davon aus, dass es auch in Zukunft so weitergehen wird. Warum sollten sich die Gelegenheitsfahrer aus dem Unterland eine komplette Wintersportausrüstung kaufen, wenn sie bei uns stets neues top-Material mieten können?
An guten Tagen vermieten wir bis zu 2200 Artikel, Skis, Schuhe,Helme, Schlitten etc. Damit wir das stemmen mögen, haben wir viel in die Automatisierung unseres Vermietungsprozesses investiert. Unsere Kunden können sich online oder vor Ort im Checkin registrieren und ihre Wünsche hinterlegen. Diese Daten sind dann auf allen unseren 35 Computern in den vier Filialen abrufbar und können bearbeitet werden. Wer bei uns einen Skischuh gefunden hat, muss diesen nicht mehr ausziehen. Die Laservermessung des Schuhs wird im System hinterlegt und diese Daten können genutzt werden, um die Skis korrekt einzustellen. So sparen wir Zeit und es ist möglich, dass der komplette Vermietungsprozess in wenigen Minuten abgeschlossen ist.»