«Wir stehen erst am Anfang der Trailrunning-Bewegung»

Trailrunning ist in aller Munde. Doch was ist Trailrunning eigentlich genau? Woher kommt die Sportart? Wie präsentiert sich der Status Quo in der Schweiz und wie sehen die Zukunftsperspektiven aus? Darüber haben wir mit Gabriel Lombriser gesprochen. Er ist Nationaltrainer für Trailrunning und Berglauf bei Swiss Athletics und organisiert mit seiner Firma «indurance.ch» gemeinsam mit seiner Frau Judith Wyder regelmässig Trailrunning Wochen und Weekends für Breitensportler.
Ende August findet das vielleicht wichtigste Trailrunning Event der Welt statt: der Ultra Trail Mont Blanc – kurz UTMB. 176 Kilometer lang ist die Strecke und unterwegs müssen mehr als 10’000 Höhenmeter bewältigt werden. Der Wettkampf mit Start in Chamonix ist für viele Trailrunner ein Traum, vergleichbar mit einem Start beim Ironman auf Hawaii für Triathletinnen und Triathleten.
Doch Trailrunning ist längst nicht nur etwas für Ultra-Läuferinnen und Ultra-Läufer. In den letzten zehn Jahren hat sich die Sportart mehr und mehr auch in der Breite etabliert. Das bestätigt auch Gabriel Lombriser, Nationaltrainer für Trailrunning und Berglauf bei Swiss Athletics. «Trailrunning wird immer beliebter. Dank Social Media, wo viele tolle Bilder aus den Bergen und Wälder zu sehen sind, vor allem auch bei jungen Leuten. Aber nicht nur. Der Altersrange der Trailrunner bewegt sich zwischen 20 und 70 und das Verhältnis von Männern und Frauen hält sich in etwa die Waage. Einzig bei den Ultra-Wettkämpfen sind die Männer in der Überzahl.»
«Trailrunning-Vereine gibt es eigentlich nur in der Westschweiz, wo das Trailrunning ganz generell schon viel weiterentwickelt ist als in der Deutschschweiz.»
– Gabriel Lombriser, Nationaltrainer Trailrunning
Alles abseits der Asphaltstrassen
Doch was gilt denn überhaupt als Trailrunning und wo hat die Sportart ihren Ursprung? Die Antwort auf den ersten Teil der Frage ist einfach. «Sobald man nicht mehr auf Asphaltstrassen rennt, sondern auf Waldwegen und Wiesen ist das Trailrunning. Also alles vom Kiesweg im Wald bis zu den hochalpinen Wanderwegen kann für Trailrunning genutzt werden», sagt Gabriel Lombriser und führt aus, wo die neue Trendsportart eigentlich ihren Ursprung hat. Zum einen sei das im klassischen Berglauf, wo man von unten auf den Gipfel gelaufen ist. Und zum anderen in den sogenannten «up and down Races», die vor allem in Grossbritannien seit mehr als hundert Jahren äusserst beliebt sind. «Die Kombination aus den Bergläufen und den Querfeldeinrennen führte zum Trailrunning. In den USA wurde in den 70er Jahren der Western States 100 Run lanciert, der heute als ältestes Trailrunning Rennen der Welt gilt», so Lombriser.

Aktuell noch lose Strukturen
Auch in der Schweiz ist das Angebot an Trailrunning Wettkämpfen in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen. Längst gibt es nicht nur Rennen über die Ultradistanzen, sondern auch über kürzere Strecken, die sich für den Einstieg eignen. «Wer will, kann eigentlich fast jedes Wochenende an einem Trailrunning-Wettkampf in der Schweiz teilnehmen», so Gabriel Lombriser.
Auch wenn Trailrunning in den letzten zehn Jahren einen richtigen Hype erlebt hat, sind die Strukturen im Trailrunning in der Schweiz noch lose. Im Elitebereich ist das Trailrunning gemeinsam mit dem Berglauf bei Swiss Athletics angesiedelt. Ansonsten gibt es aber noch kaum professionelle Strukturen. Es gibt keine Regionalkader, kaum Nachwuchsförderung und auch kaum eigenständige Trailrunning-Vereine oder Leichtathletikvereine, die eine eigene Trailrunning-Abteilung führen. Die meisten, die zum Trailrunning stossen, sind Quereinsteiger aus dem Orientierungslauf, dem klassischen Laufsport oder dem Ski Mountaineering. «Trailrunning-Vereine gibt es eigentlich nur in der Westschweiz, wo das Trailrunning ganz generell schon viel weiterentwickelt ist als in der Deutschschweiz. Dies aufgrund der Nähe zu Frankreich, wo Trailrunning gerade in der Region um Chamonix und Annecy riesig ist», sagt Lombriser.

Noch viel Potenzial
Punkto Strukturen tut sich aktuell jedoch einiges. Einerseits entdecken immer mehr Tourismusdestinationen das Trailrunning und sind bereit, viel in diesen Bereich zu investieren. «Zusätzlich zu den Hotspots wie Grindelwald, Zermatt, Davos, St.Moritz oder Locarno werden in den nächsten Jahren noch weitere dazukommen», ist Lombriser überzeugt. «Diese Destinationen haben gemerkt, dass die Leute wirklich spezifisch wegen des Trailrunnings kommen, wenn das Angebot stimmt.»
Andererseits werden immer mehr professionelle Trainerinnen und Trainer ausgebildet, damit Trailrunning auch in den Leichtathletikvereinen oder in eigenständigen Vereinen vermittelt werden kann – auch im Nachwuchs. «Swiss Athletics organisiert schon länger Nachwuchscamps im Trailrunning. Dies mit dem Ziel, dass es dereinst auch möglich sein wird, schon im Nachwuchsalter auf Trailrunning zu setzen», sagt Gabriel Lombriser. Er ist überzeugt, dass Trailrunning in der Schweiz in den nächsten Jahren noch einmal deutlich wachsen wird. Nicht zuletzt, weil die Schweiz mit ihren perfekt ausgebauten Wanderwegen dafür prädestiniert ist. «Wir haben ein Riesenglück, dass wir so gut unterhaltene Wanderwege haben. Diese sind fürs Trailrunning perfekt. Es werden immer mehr Leute erkennen, dass man auf den Wanderwegen nicht nur mit schweren Wanderschuhen und grossen Rucksäcken unterwegs sein kann, sondern auch leichter und flinker beim Trailrunning. Deshalb bin ich überzeugt, dass wir erst am Anfang der Trailrunning-Bewegung stehen.»
Bilder: indurance.ch